Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes trotz extremer Überversorgung?

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Vertragsärzte, die ihre Praxis abgeben wollen, stehen teilweise vor dem Problem, dass eine Nachbesetzung von den zuständigen Prüfgremien abgelehnt werden kann, wenn im Planungsbereich eine Überversorgung besteht (§ 103 Abs. 3a Satz 3 2. HS SGB V).

Allerdings wird teilweise von den Zulassungsausschüssen eine solche Entscheidung oft unter bloßen Hinweis auf die formal richtig festgestellte Überversorgung getroffen, ohne konkrete Besonderheiten der tatsächlichen Versorgungssituation zu berücksichtigen.

Erfreulicherweise hat das Sozialgericht München in einem Urteil vom 11.02.2020 (– S 38 KA 45/19 –) nun festgestellt, dass dies zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führen kann.

Zu entscheiden war die Nachbesetzung einer psychotherapeutischen Praxis in einem extrem überversorgten Planungsbereich. Der Hinweis, dass die Praxis speziell schwer traumatisierte Patienten versorgte, tat der Zulassungsausschuss mit der oft gelesenen Bemerkung ab, dass dies nicht zu einer anderen Beurteilung führe, ohne dies weiter zu begründen.

Das Gericht nahm dazu an, dass der Zulassungsausschuss schon seiner Begründungspflicht nach § 35 Abs. 1 SGB X nur unzureichend nachgekommen sei. Dabei möge es nach Ansicht des SG München zwar zutreffen, dass eine extreme Überversorgung im Bereich der Psychotherapie im Planungsbereich generell vorhanden sei und bei dieser Sachlage davon ausgegangen werden könne, dass die Mehrzahl der normalen Patienten, die psychotherapeutisch zu behandeln sind, von anderen Psychotherapeuten behandelt werden können, weil genügend Behandlungskapazitäten vorhanden sind. Dann müsse auch nach der zitierten Entscheidung das Interesse des abgebenden Vertragsarztes an der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Interesse am Abbau der Überversorgung zurückstehen. Etwas anderes kann sich aber nach dem SG München daraus ergeben, wenn  das Leistungsspektrum von dem anderer Psychotherapeuten entscheidend abweicht.

Der Zulassungsausschuss hatte dabei zwar erwähnt, dass die Ärztin ein besonderes Behandlungsspektrum mit Traumapatienten aufweist. Es genügt aber dann nach Ansicht der zuständigen Richter aber nicht, diesen wesentlichen Aspekt im Rahmen der Ermessensentscheidung damit abzutun, dieses „besondere Leistungsspektrum führe nicht zu einer anderen Beurteilung“. Eine unzureichende Begründung des Verwaltungsaktes stellt dann schon einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 35 SGB X dar. Wenn ein besonderes Leistungsspektrum vorhanden ist, drängt sich vielmehr auf, dass trotz genereller Überversorgung im Bereich der Psychotherapie Versorgungsgründe einer Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens nicht entgegenstehen. Der Zulassungsausschuss übersieht dann, dass es nach gefestigter Rechtsprechung in erster Linie auf die tatsächliche Versorgungssituation in dem betreffenden Planungsbereich ankommt (so etwa BSG, Urteil vom 28.06.2000 – B 6 KA 35/99 R –). Hierzu haben keinerlei Untersuchungen in Form von Umfragen bei den anderen Psychotherapeuten stattgefunden, ob für das Patientenklientel der Traumapatienten genügend Aufnahmekapazitäten dort bestehen würden, die der Zulassungsausschuss nun nachzuholen hat.

Der Entscheidung ist zu zustimmen. Sie betont erfreulicherweise, dass allein das Bestehen der Überversorgung dann nicht ausreicht, wenn die Praxis vom typischen Bild der Durchschnittspraxis abweicht. Sind Besonderheiten vorgetragen, hat der Zulassungsausschuss auch deren Versorgungsrelevanz durch Analyse der tatsächlichen Versorgungssituation zu prüfen.

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