Haftung des Medizinprodukteherstellers bei bloßem Fehlerverdacht?

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Im Zusammenhang mit medizinischen Implantaten stellte sich in der Vergangenheit immer wieder die Frage, ob das bloße Vorliegen eines Fehlerverdachtes eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz auslöst.

Auch wenn diese Frage für Hersteller anderer Produkte potentiell relevant werden könnte, ist die Fragestellung für Hersteller von Medizinprodukten der Klasse III von besonderer Bedeutung. Der Grund hierfür liegt in dem Gefährdungspotential, das insbesondere von fehlerhaften medizinischen Implantaten ausgeht.

Die uneinheitliche Rechtsprechung erst- und zweitinstanzlicher Gerichte

Immer wieder haben sich deshalb Gerichte mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein bloßer Fehlerverdacht einen Produktfehler nach § 3 ProdHaftG auslöst. Die zugrundeliegenden Fallgestaltungen weisen dabei eine in der Regel ähnliche Struktur auf. Meist kam es zu einer Information über die Fehleranfälligkeit einer bestimmten Serie von Medizinprodukten, oft gekoppelt mit einem Rückruf noch nicht implantierter Produkte der betroffenen Serien. Betroffen waren dabei unter anderem Sonden, die zu Herzschrittmachern gehören, Herzschrittmacher im Ganzen und Defibrillatoren. Patienten, die Implantate der betroffenen Serien eingesetzt bekommen haben und über die Fehleranfälligkeit informiert worden sind, hatten sich vorsorglich einer Operation unterzogen und die unter Fehlerverdacht stehenden Implantate austauschen lassen. Die Krankenkassen forderten sodann von den Medizinprodukteherstellern die Kosten für diese Operationen zurück.

Trotz einer gewissen Häufigkeit dieser Problematik und entsprechend vielen gerichtlichen Entscheidungen, konnte bislang eine Klärung dieser Rechtsfrage nicht erreicht werden. Die Rechtsprechung blieb uneinheitlich.

Eine Haftung der Medizinproduktehersteller wurde durch die Gerichte häufig mit der Begründung verneint, dass eine tatsächliche Fehlerhaftigkeit des Produktes nicht nachgewiesen werden konnte (vgl. exemplarisch Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 06.06.2013, 202 C 634/12; Urteil des OLG Frankfurt vom 21.06.2012, 22 U 89/10).

Demgegenüber nahm unter anderem das OLG Düsseldorf (Urteil vom 20.06.2012, I-15 U 25/11) das Vorliegen eines Produktfehlers nach § 3 ProdHaftG auch bei dem bloßen vorliegen eines Fehlerverdachtes an. In diesem Fall waren Defibrillatoren betroffen. Das Gericht führt in seiner Entscheidung aus, dass auf die Erwartung des Patienten abzustellen sei, die aufgrund der Bedeutung eines solchen Medizinproduktes für das eigene Leben entsprechend hoch ist. Das Gericht hielt es demgegenüber für unerheblich, dass es bei der Produktserie zum Zeitpunkt der Entscheidung tatsächlich erst zu wenigen Ausfällen gekommen ist.

Obergerichtliche Klarstellung?

Die Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich und eine obergerichtliche Klarstellung fehlt bislang. Dies könnte sich jedoch in Kürze ändern.

Dem BGH liegen zwei Verfahren zur Entscheidung vor, die gerade diese Problemstellung zum Gegenstand haben. Bei einem der Verfahren handelt es sich um die Revision gegen das oben bezeichnete Urteil des OLG Düsseldorf. Der BGH hat beide Verfahren ausgesetzt und sich jeweils mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gewandt (Vorlagebeschlüsse des BGH vom 30.7.2013, VI ZR 284/12 und VI ZR 327/12).

Konkret hat der BGH dem EuGH die Frage gestellt, ob Art. 6 Abs. 1 der Produkthaftungsrichtlinie dahingehend auszulegen ist, dass ein Produkt, wenn es sich um ein in den menschlichen Körper implantiertes Medizinprodukt handelt, bereits dann fehlerhaft ist, wenn Geräte derselben Produktgruppe ein nennenswert erhöhtes Ausfallrisiko haben, auch wenn ein Fehler des im konkreten Fall implantierten Gerätes nicht festgestellt ist.

Ferner baten die Richter des BGH um die Klärung der Frage, ob es sich bei den Kosten der Operation zur Explantation des Produkts und zur Implantation eines anderen Herzschrittmachers um einen durch Körperverletzung verursachten Schaden im Sinne der Art. 1, Art. 9 Satz 1a der Produkthaftungsrichtlinie handelt.

Die Entscheidungen des EuGH stehen noch aus. Der BGH hat die Verfahren bis zur Entscheidung über die Vorlagebeschlüsse ausgesetzt.

Fazit

Aufgrund der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung ist die Herbeiführung von Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Entscheidung zu begrüßen.

Es bleibt abzuwarten, ob die vielfach befürchtete Aufweichung der Haftung insbesondere für Hersteller von Medizinprodukten der Klasse III, tatsächlich eintreten wird.

Fest steht in jedem Fall, dass sowohl im Interesse der Medizinproduktehersteller, als auch im Interesse der Patienten und der Krankenkassen eine Klarstellung erfolgen muss, damit auf allen Seiten Rechtssicherheit entsteht.

Für Rückfragen zum Medizinprodukterecht oder andere medizinrechtliche Anliegen stehen wir Ihnen gerne telefonisch unter 0681-3836580 oder per E-Mail unter ra@ra-glw.de zur Verfügung. Besuchen Sie auch unsere Internetseite http://www.ra-glw.de.

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