Kein Versorgungsauftrag für geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung

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Leider stellt die Vergütung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung nach dem OPS-Kode 8-550 in Plankrankenhäusern immer noch ein Problem dar, wie eine aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 23.01.2023 (– 5 LA 185/20 –) zeigt, in dem die Frage zu klären war, ob Plankrankenhäuser mit einem Versorgungsauftrag für Neurologie und Psychologie in Schleswig-Holstein entsprechende Leistungen erbringen dürfen, auch wenn der Krankenhausplan diese Leistungen den Fachabteilungen für Geriatrie zuweist.

Das Gericht verneinte dies zulasten des Krankenhauses.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 KHEntgG dürfen Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen nur im Rahmen des Versorgungsauftrages berechnet werden. Der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses ergibt sich gemäß § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG bei einem Plankrankenhaus aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung nach § 6 Abs. 1 iVm § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG sowie einer ergänzenden Vereinbarung nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Nur dem an die Krankenhausträgerin gerichteten Feststellungsbescheid kommt Außenwirkung zu, insofern beurteilt sich der Versorgungsauftrag zunächst nach seinem Inhalt. Der Bescheid ist nach dem objektiven Erklärungswert unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs auszulegen, §§ 133, 157 BGB. Ergänzend ist der Krankenhausplan zur Auslegung heranzuziehen. Der Krankenhausplan bestimmt die medizinischen Bereiche, in denen das Krankenhaus tätig werden soll, und legt die Zahl der Betten fest, mit denen das Krankenhaus in den Plan aufgenommen wird.

Nach diesen Maßstäben hat umfasst nach Ansicht des Gerichts der Versorgungsauftrag für die Fachrichtungen Neurologie und Psychologie die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nicht.

Dabei ist nach Ansicht der Richter entgegen der sozialgerichtlichen Rechtsprechung die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holstein im Rahmen der Auslegung des Feststellungsbescheides und des Krankenhausplanes zur Bestimmung des Versorgungsauftrages des Plankrankenhauses nicht relevant. Zwar träfe es zu, dass Verwaltungs- und Sozialgerichte anderer Bundesländer die jeweilige Weiterbildungsordnung im Rahmen der Auslegung berücksichtigen. In den diesen Entscheidungen zugrundliegenden Sachverhalten wurde auf die jeweilige Weiterbildungsordnung jedoch entweder im Krankenhausplan oder im Feststellungsbescheid Bezug genommen, so dass sie nach den allgemeinen Auslegungsregeln des §§ 133, 157 BGB beachtet werden konnte. Im vorliegenden Sachverhalt findet die Weiterbildungsordnung weder im Feststellungsbescheid noch in dem Krankenhausplan Erwähnung. Ein Rückgriff auf sie scheidet aus dem Grund aus.

Darüber hinaus ergibt sich für das OV Schleswig-Holstein aus dem Krankenhausplan deutlich, dass die Geriatrie als eigene Fachrichtung ausgewiesen werden soll. Der Plangeber ist bei der Ausweisung und Festlegung von Fachgebieten im Krankenhausplan frei. Die Inhalte der Krankenhauspläne sind bundesrechtlich nicht ausdrücklich vorgegeben und orientieren sich an dem KHG. Inhalt der Krankenhauspläne soll zum einen die Verwirklichung der in § 1 KHG genannten Ziele sein, d. h. die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen. Zum anderen sieht § 8 Abs. 1 Satz 1 KHG vor, dass Krankenhäuser in den Krankenhausplan aufgenommen werden. Der Krankenhausplan muss daher bestimmen, welche Krankenhäuser mit welcher Bettenanzahl und welcher fachlichen Ausrichtung zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung notwendig sind. Diesen inhaltlichen Zielen steht die Ausweisung der Fachgebiete abweichend von der Weiterbildungsordnung nicht entgegen.

Dagegen spricht nach Meinung der Richter in Schleswig auch nicht § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Denn die Bestimmung regele allein das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherungen und Ansprüche der Versicherten, nicht aber die Frage, welche Krankenhäuser in welchem Umfang zur Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen sind. Die Norm begründet oder erweitert keine Versorgungsaufträge der Krankenhäuser, sondern setzt diese für die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringbaren Krankenleistungen voraus, wie § 39 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V ausdrücklich klarstellt. Der Umfang des Versorgungsauftrages richtet sich nicht nach § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V, sondern die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse wird durch den landweiten festzulegenden Versorgungsauftrag des Krankenhauses bestimmt.

Dagegen spreche auch nicht, dass allgemeine Krankenhausleistungen und insbesondere die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, die Bestandteil einer jeden akutstationären Behandlung sei, durch die Landeskrankenhausplanung nicht eingeschränkt werden könnten und die Ausweisung geriatrischer Kliniken in der Krankenhausplanung nur die Sicherung einer Mindestanzahl entsprechend spezialisierter Krankenhäuser bezwecke, jedoch nicht zu einem Ausschluss der übrigen Krankenhäuser von der Erbringung geriatrischer Leistungen führe. Denn dabei müsse berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Krankenhausleistung dem Akutkrankenhaus durch eine Zuweisung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung an die geriatrischen Zentren oder Schwerpunkte durch die Landeskrankenhausplanung entzogen werden könne (BVerwG, Urteil vom 22.05.2014 – 3 C 8.13 –). Wenn eine solche Zuweisung bei den allgemeinen Leistungen nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KHEntgG möglich ist, ist nicht zu beanstanden, wenn der Plangeber im Krankenhausplan eine exklusive Zuweisung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung als allgemeinen Leistung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KHEntgG bestimmt.

Die Entscheidung ist mit der Versorgungsrealität und dem Sinn und Zweck der geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung kaum in Einklang zu bringen. Sie ist mit Blick auf § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch rechtlich sehr bedenklich. Der Gesetzgeber hatte bereits bei Einführung des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V deutlich gemacht, dass die Erbringung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation im Rahmen der für die jeweilige Akutbehandlung erforderlichen Verweildauer so früh als möglich zu erfolgen hat und die Integration der medizinischen Rehabilitation in die Krankenhausbehandlung vor allem eine Qualitätsverbesserung der stationären Versorgung darstelle (BT-Drucks. 14/5074 S. 117/118). Dieser medizinische gebotene Ansatz wird durch das vorliegende Urteil zulasten der Patienten konterkariert und ist letztlich nicht verständlich, wenn das jeweilige Plankrankenhaus gerade im Bereich der Neurologie einen Versorgungsauftrag innehat und damit Schlaganfallpatienten behandelt und die hohen qualitativen Anforderungen des OPS-Kode 8-550 mit den entsprechenden Strukturmerkmalen erfüllt. Es wird auch kaum in Sinne des Plangebers gewesen sein, dass diese Patienten eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung erst nach Verlegung in ein Krankenhaus mit einer geriatrischen Fachklinik erhalten (in diesem Sinne auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.12.2018 – 1 L 10/17 –).

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