Keine Einzelfallprüfung im Rahmen nachträglicher sachlich-rechnerischer Berichtigungen

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Die Sozialgerichte beschäftigt leider immer noch die Frage, in welchen Umfang Einwendungen von Krankenkassen gegen Abrechnungen der Krankenhäuser zu prüfen sind, die aufgrund von BSG-Entscheidungen lange nach Beendigung des Abrechnungsvorgang der stationären Behandlungen und dem Ablauf der Prüffrist nach dem damaligen § 275 Abs. 1c SGB V erhoben worden sind. Die damit bezweckte Nachholung einer Einzelfallprüfung ist eigentlich kaum begründbar,

Das LSG Berlin-Brandenburg hat in einer aktuellen Entscheidung vom 12.05.2021 (- L 9 KR 190/18 -) dazu noch einmal auf den begrenzten Aufklärungsbedarf der Gericht hingewiesen, auch wenn die Einwendungen der Krankenkassen sich auf eine sachlich-rechnerische Berichtigung bezogen haben. Auch diese Entscheidung verneint die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Nachholung einer umfassenden Einzelfallprüfung im gerichtlichen Verfahren ohne vorheriges Prüfverfahren durch den MDK.

Streitgegenständlich war die Abrechnung sog. Apherese-Thrombozytenkonzentraten für eine Behandlung im Jahre 2011, welche die Krankenkasse im Jahr 2015 unter Hinweis auf eine MDK-Grundsatzgutachten aus dem Jahr 2010 beanstandete. Wie in vielen vergleichbaren Fällen meinte die Krankenkasse auch hier, dass die medizinische Notwendigkeit der Gabe der Apherese-Thrombozytenkonzentraten im konkreten Einzelfall im Rahmen von § 301 SGB V begründungspflichtig sei und daher vom Krankenhaus nachzuweisen wäre.

Dieser Ansicht hat das Gericht deutlich widersprochen.

Vielmehr entsprach die Rechnungslegung für die im Mai 2011 erfolgte stationäre Behandlung vollständig den Vorgaben in § 301 SGB V. Die Gabe der Apherese-Thrombozytenkonzentrate musste dagegen nicht medizinisch begründet werden, weil § 301 Abs. 1 Nr. 6 SGB V nur vorsieht, Datum und Art der im Krankenhaus durchgeführten Operationen und Prozeduren zu übermitteln. Angesichts des Grundsatzgutachtens des MDK aus dem Jahr 2010 konnte und musste es der Krankenkasse in 2011 bekannt sein, dass die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten problematisch sein könnte. Insofern hätte möglicherweise eine Prüfung der Abrechnung durch den MDK angezeigt sein können, wovon die Krankenkasse aber keinen Gebrauch machte. Dies bleibt nach dem Gericht für die Geltendmachung späterer Einwände gegen die Abrechnung des Zusatzentgelts nicht ohne Bedeutung.

Denn die Krankenkassen sind zwar jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf Leistungsverweigerungsrechte oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen, wobei auch der damalige § 275 Abs. 1c SGB V nicht entgegenstehe. Nach dem damaligen § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V war aber bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten. Der ungenutzte Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des damaligen § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bewirkt zwar keinen Einwendungsausschluss, führt aber dazu, dass Krankenkasse und MDK bei einzelfallbezogenen Auffälligkeitsprüfungen nach Ablauf der Frist auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung jeweils zur Verfügung gestellt hat. Nach Ablauf der damaligen Sechs-Wochen-Frist ist das Krankenhaus nicht mehr verpflichtet, Auskünfte zu erteilen oder Patientenakten vorzulegen. Das Recht der Krankenkasse, für die Prüfung andere zulässige Informationsquellen zu nutzen, bleibt unberührt.

Danach geben aber die vom Krankenhaus vollständig übermittelten Abrechnungsdaten nach § 301 SGB V, auf die sich die Krankenkasse aber allein stützen kann, gerade nichts für die Annahme her, die Gabe zweier Apherese-Thrombozytenkonzentrate sei unwirtschaftlich gewesen. Diese Annahme basiert nur auf einer Vermutung, ausgehend von den Ausführungen des Bundessozialgerichts in der Entscheidung vom 10.03.2015 (- B 1 KR 2/15 R -). Denn die schlichten Abrechnungsdaten lassen eine Beantwortung der komplexen medizinischen Frage, ob für die Behandlung gerade die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten indiziert war, nicht zu. Feststellbar wäre dies nur im Rahmen einer Fallprüfung durch den MDK gewesen, in deren Rahmen das Krankenhaus sich zur Notwendigkeit der Gabe der teureren Apherese-Thrombozytenkonzentrate hätte erklären müssen. Im Ergebnis ist daher nicht nachgewiesen, dass die Gabe der Apherese-Thrombozytenkonzentrate medizinisch nicht erforderlich war. Das geht zu Lasten der Krankenkasse, der es obliegt, die rechtsgrundlose Zahlung darzulegen und nachzuweisen.

Auch diese Entscheidung stellt noch einmal sehr deutlich klar, wie die Darlegungs- und Beweislast bei nachträglichen Einwendungen der Krankenkassen verteilt sind und dass die Krankenhäuser gerade nicht mehr dazu verpflichtet sind, die Behandlungen im Einzelnen darzulegen und durch Vorlage der Behandlungsunterlagen zu beweisen. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Linie der Rechtsprechung weiter durchsetzt, um die noch anhängigen Altverfahren zeitnah abzuschließen.

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