Keine freie Verlegbarkeit des nephrologischen Versorgungsauftrags

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Die Auslegung der Anlage 9.1. zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) hat die Praxis immer wieder vor erhebliche Probleme gestellt. Relativ beispiellos dürften aber die jahrelange rechtswidrige Genehmigungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland gewesen sein, nach der entgegen der eindeutigen Regelungen der Vorschriften der Anlage 9.1. BMV-Ä ein nephrologischer Versorgungsauftrag im Falle des Ausscheidens einer Mitgliedes einer Berufsausübungsgemeinschaft genauso wie die vertragsärztliche Zulassung verlegbar sein sollte. Die rechtswidrige Praxis der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland hat über Jahre zu einer erheblichen Ausweitung der genehmigten Dialyseplätze und zur Neugründung von Dialysepraxen im Saarland geführt, obwohl die bestehenden Dialysepraxen seit Jahren nicht ausgelastet waren.

Die daraus resultierende Welle von Prozessen hat zu mehreren Entscheidungen des BSG geführt, an denen unsere Kanzlei beteiligt war und über die wir bereits berichtet hatten.

Das BSG hatte in aller Deutlichkeit klargestellt, dass die Bindung des Versorgungsauftrags an die Berufsausübungsgemeinschaft und den Ort der Praxis auch dann bestehe, wenn der Versorgungsauftrag dem Vertragsarzt vor Inkrafttreten der entsprechenden Regelungen des § 4 Abs. 1a und 1b Anlage 9.1. BMV-Ä erteilt worden ist. Scheidet ein Arzt daher aus einer Berufsausübungsgemeinschaft aus und beantragt an einem anderen Ort einen Versorgungsauftrag, kann diese Genehmigung nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 3 Anlage 9.1. BMV-Ä erteilt werden. Die von der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland vertretene Auffassung zur Verfassungswidrigkeit der Anlage 9.1. BMV-Ä teilte das BSG nicht und hob in mehreren Verfahren rechtswidrig erteilte Versorgungsaufträge auf (vgl. nur BSG, Urteile vom 15.03.2017 – B 6 KA 18/16 R und 20/26 R -).

Die gegen diese Urteile des BSG erhobenen Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht nun mit den Beschlüssen vom 15.08.2018 (- 1 BvR 1780/17 – und 1781/17 -) nicht zur Entscheidung angenommen.

In den Verfassungsbeschwerden hatten die betroffenen Ärzte – wie die Kassenärztliche Vereinigung Saarland – die Auffassung vertreten, dass die entsprechenden Regelungen der Anlage 9.1. BMV-Ä verfassungswidrig seien.

Die Regelungen über die Beschränkung der Mitnahme eines Versorgungsauftrags der Anlage 9.1. BMV-Ä haben aber nach dem Bundesverfassungsgericht in § 72 Abs. 2 SGB V iVm. § 82 Abs. 2 SGB V eine hinreichend bestimmte sowie dem Wesentlichkeitsgrundsatz genügende Rechtsgrundlage. Insbesondere gewähre die Vorschrift des § 72 SGB V den Vertragspartnern des Bundesmantelvertrages keine unbegrenzte Gestaltungsfreiheit, sondern enthält auch mit Blick auf die Intensität der durch sie bewirkten Grundrechtseingriffe hinreichend bestimmte Vorgaben zu den Regelungszielen und zur Reichweite des Ermächtigungsrahmens. Die Regelungen der Anlage 9.1. BMV-Ä halten sich nach Überzeugung des Verfassungsgerichts innerhalb des vorgegebenen Ermächtigungsrahmens und tragen insbesondere dem vom Gesetzgeber hervorgehobenen Gemeinschaftsinteresse einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung hinreichend Rechnung. Die Vorschriften beachten auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Die angegriffenen Regelungen zum Verbleib des Versorgungsauftrags in der Berufsausübungsgemeinschaft sind auch angemessen. Die Grenze der Zumutbarkeit wird nicht überschritten. Die Qualität der Versorgung sowie deren Wirtschaftlichkeit im Interesse der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung überwiegen den Eingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen Ärzte. Ein Eingriff in den Status der betroffenen Ärzte liegt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht vor.

Damit ist nun endgültig nach jahrelangen Rechtsstreit geklärt, dass ein aus einer Berufsausübungsgemeinschaft ausscheidender Arzt den Versorgungsauftrag zur Erbringung nephrologischer Leistungen nicht mitnehmen kann, auch wenn er seinen Vertragsarztsitz verlegen darf. Die begrüßenswerten Entscheidungen des Verfassungsgerichts stellt außerdem klar, dass die in der Anlage 9.1. BMV-Ä vorgesehene gesonderte Bedarfsplanung von den Ermächtigungsnormen gedeckt und damit auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Dies müsste nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen selbst im Saarland für ausreichend Rechtssicherheit für die bestehenden Dialyseeinrichtungen vor einem industriellen Verdrängungswettbewerb sorgen.

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