Keine Verharmlosung von Operationsrisiken

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In einer aktuellen Entscheidung vom vom 16.08.2022 (– VI ZR 342/21 -) hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage einer möglichen Verharmlosung von Operationsrisiken auseinanderzusetzen, die zu einer Unwirksamkeit der durchgeführten Risikoaufklärung führen kann.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass ärztliche Heileingriffe grundsätzlich der Einwilligung des Patienten bedürfen, um rechtmäßig zu sein. Die wirksame Einwilligung des Patienten setzt dabei dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraus (vgl. dazu nun auch § 630d BGB). Dabei müssen die in Betracht kommenden Risiken nicht exakt medizinisch beschrieben werden. Es genügt vielmehr, den Patienten „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung aufzuklären und ihm dadurch eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren zu vermitteln, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Dabei ist es nicht erforderlich, dem Patienten genaue oder annähernd genaue Prozentzahlen über die Möglichkeit der Verwirklichung eines Behandlungsrisikos mitzuteilen. Erweckt der aufklärende Arzt beim Patienten aber durch die unzutreffende Darstellung der Risikohöhe eine falsche Vorstellung über das Ausmaß der mit der Behandlung verbundenen Gefahr und verharmlost dadurch ein verhältnismäßig häufig auftretendes Operationsrisiko, so kommt er seiner Aufklärungspflicht nicht in ausreichendem Maße nach (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 29.01.2019 – VI ZR 117/18 –).

Dies hat der BGH im entschiedenen Fall als problematisch angesehen, weil sich das Berufungsgericht nicht mit der von der Klägerin aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt hatte, dass nach dem schriftlichen Aufklärungsbogen es nur „selten“ zu schweren bleibenden Störungen komme, obwohl in ihrem konkreten Fall der Gerichtssachverständige ausgeführt hatte, dass diese Operationen per se mit einer sehr hohen Morbidität, die er als zu erwartenden Lebensqualitätsverlust umschreibt, vergesellschaftet seien und in einer Studie 20% der operierten Patienten schwere und 30% der Patienten moderate neurologische Defizite zeigten. Diese Daten belegten nach dem BGH, dass trotz sorgfältigster präoperativer Diagnostik vaskuläre Komplikationen im Rahmen einer solchen komplexen Operation nicht nur nicht vermeidbar seien, sondern sogar mit einer Häufigkeit von bis zu 50% angegeben würden. Mit der Bewertung des Risikos schwerer bleibender Störungen als „selten“ und (aller) Komplikationsmöglichkeiten als „Ausnahme“ in dem Aufklärungsbogen hatte sich das Berufungsgericht trotz dieser sachverständigen Ausführungen und der konkreten Beanstandung der Klägerin aber nicht befasst. Die mögliche unzutreffende Verharmlosung der tatsächlichen Risiken im Aufklärungsbogen könne daher die Aufklärung in Frage stellen, womit sich das Berufungsgericht in Folge der Aufhebung  des klagabweisenden Urteils und Zurückverweisung des Verfahrens durch den BGH auseinanderzusetzen haben wird.

Die Entscheidung ist zu begrüßen, weil in vielen Arzthaftungsprozessen die schriftlichen Aufklärungsbögen oft nicht mehr kritisch hinterfragt werden. Die Entscheidung macht deutlich, dass es immer noch auf den konkreten Fall ankommt und ggf. auch fehlerhafte Angaben in den Aufklärungsbögen zu einer Verharmlosung führen und die Wirksamkeit der Aufklärung infrage stellen können.

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