Anforderungen an die Sturzprophylaxe

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In Krankenhäusern und Pflegeheimen stellt sich unter haftungsrechtlichen Aspekten immer wieder die Frage, welche Anforderungen bei einer bekannten Sturzneigung des Patienten zur Sturzprophylaxe gelten.

Das Haftungsrisiko ist unter dem Gesichtspunkt des vollbeherrschbaren Risikos für die Einrichtungsträger hoch, wobei mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte des Patienten aber auch keine ständige Überwachung gefordert werden kann. Diese wär in der Praxis auch nicht zu leisten.

In einer aktuellen Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 18.09.2019 (- 7 U 21/18 -) werden die notwendige Abwägung noch einmal thematisiert und die Grenzen der Haftung des Einrichtungsträger präzisiert.

Maßstab bei der Beurteilung der Pflegeleistungen ist dabei nicht, jeden Unfall durch weitergreifende Sicherungsmaßnahmen vermeiden. Ein allumfassender Schutz kann im Spannungsfeld zwischen Freiheitsrecht einerseits und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit andererseits nicht gewährt werden. Dabei sind im alltäglichen Umfeld eines Pflegeheims vorliegend nicht die gleichen strengen Maßstäbe anzulegen wie bei einem Krankenhausaufenthalt anzulegen(vgl. dazu sehr weitgehend OLG Köln vom 15.01.2004 – 12 U 66/03 –). Speziell das Maß der Beaufsichtigung bei alltäglichen Aktivitäten wie beim Toilettengang ist immer vom konkreten Hilfebedürfnis des Patienten abhängig. Für eine lückenlose Beaufsichtigung des Heimbewohners muss ein konkreter Grund bestanden haben. Dies ist nur anzunehmen, wenn in den letzten Wochen vor dem Unfall der Gesundheitszustand der Betroffenen eine konkrete Veranlassung gegeben hätte anzunehmen, dass er sich sogar  in sitzender Position nicht mehr alleine halten könnte oder unvermittelt aufzustehen versuchen würde, ohne alleine stehen zu können. Letztendlich ist bei der Prüfung der Pflichtwidrigkeit der Gefahr entgegenzuwirken, dass die Alten- und Pflegeeinrichtungen aus Haftungsgründen gezwungen wären, den Umgang mit alten und gebrechlichen Menschen aus Sicherheitsgründen äußerst restriktiv zu gestalten, was letztlich auf Kosten eines menschenwürdigen Daseins und Alltagslebens dieser Menschen geschehen müsste.

Im Rahmen der Krankenhausbehandlung können sich strengere Maßstäbe ergeben. Nach den in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen des voll beherrschbaren Risikos muss sich das Krankenhaus in Umkehr der Beweislast von der Verschuldens- und Fehlervermutung entlasten, wenn sich der Gesundheitsschaden des Patienten feststehend in einem Bereich ereignet hat, den der Behandler voll beherrschen kann und muss (vgl. BGH, Beschluss vom 20.03.2007 – VI ZR 158/06 –). Ein Fall des voll beherrschbaren Risikos wird etwa angenommen, wenn der Gesundheitsschaden des Patienten bei Behandlungs- oder Pflegmaßnahmen in Gegenwart des ärztlichen oder nicht-ärztlichen Personals stürzt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.06.1991 – VI ZR 329/90 – für den Fall des Sturzes aus einem Duschstuhl oder BGH, Urteil vom 24.01.1984 – VI ZR 203/82 – Sturz bei der intraoperativen Lagerung des Patienten). Bei einem wachen und bewusstseinsklaren Patienten, dem Schwindelereignisse bekannt sind, sind eine über die normale Absprache, sich im Bedarfsfall der Hilfe des Pflegepersonals zu bedienen, hinausgehende Sturzprophylaxe oder gar freiheitseinschränkende Maßnahmen allerdings auch nicht erforderlich (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 22.11.2016 – 5 U 80/16 –).

Die Problematik der Sturzprophylaxe bleibt für die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit hohen Haftungsrisiken verbunden. Die beste Haftungsprophylaxe ist ein sorgfältiges Management in der Pflege, zur Identifizierung von Sturzrisiken und entsprechend angepassten Sicherheitsvorkehrungen.

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