Sozialgerichte gegen BSG – die „sachlich-rechnerischen Prüfung“

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Immer mehr Sozialgerichte sind nicht bereit, die Rechtsprechung des BSG zur sog. Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit für Prüfungsfälle zu akzeptieren, die noch vor der Änderung des Gesetzes durch das Krankenhausstrukturgesetz vom 10.12.2015 datieren.

Jüngst hat das SG Aachen in einem Urteil vom 13.09.2016 (- S 13 KR 410/15 -) noch einmal klargestellt, dass es für die vom BSG angenommene Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit außerhalb der §§ 275 ff. SGB V keine Rechtsgrundlage gibt und daher die Klarstellung des Gesetzgebers in § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V auch keine Rechtsänderung darstellt und damit auch für abgeschlossene Prüffälle allein die Regelungen der §§ 275 Abs. 1c Satz 1 bis 3 SGB V gelten.

Auch das SG Osnabrück hat unter Hinweis auf Art. 20 Abs. 3 GG die Rechtsprechung des BSG zur sog. Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit verworfen (vgl. Urteil vom 21.07.2016 – S 13 KR 601/15 -).

Diese Urteil stehen der aktuellen Praxis einiger Krankenkassen entgegen, die sogar bereits gezahlte Aufwandspauschalen nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V von den Krankenhäusern unter Verweis auf die Durchführung einer Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit vor der Gesetzesänderung zurückfordern bzw. teilweise sogar zur Aufrechnung mit Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser bringen.

In einer sehr ausführlich begründeten Entscheidung kommt das SG Kassel zu dem Ergebnis, dass entsprechende Ansprüche der Krankenkasse aber zumindest dann nicht bestehen können, wenn sie in der Vergangenheit eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V durchgeführt hat und sich erst nachträglich auf die angebliche Durchführung einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung beruft (vgl. Urteil vom 04.05.2016 – S 12 KR 72/16 -). Das SG Kassel betont in der überzeugenden Entscheidung insbesondere, dass die Praxis der beklagten Krankenkasse gegen das allgemeine Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme als Ausfluss des Prinzips von Treu und Glauben nach § 242 BGB verstößt. Das Gericht verweist zutreffend darauf, dass bis zu der Entscheidung des BSG vom 01.07.2014 (– B 1 KR 29/13 R –) selbst die Krankenkasse nicht von der Existenz eines eigenen Prüfregimes ausgegangen sind und daher sämtliche Prüfungen nach den Regelungen des § 275 Abs. 1c Satz 1 bis 3 SGB V durchgeführt haben.

Der Entscheidung ist in vollen Umfang zu zustimmen und zeigt überdeutlich, dass die aktuelle Rechtsprechung des BSG zu § 275 SGB V mehr Probleme schafft als löst. Dabei mag die Einführung des Anspruchs auf eine Aufwandspauschale der Krankenhäuser durch den Gesetzgeber durchaus kritisch zu hinterfragen sein. Aufgabe des BSG ist es aber nicht, diese gesetzgeberische Entscheidung durch die Schaffung eines neuen Prüfregimes zu beseitigen.

Bedauerlicherweise scheint selbst die überwältigende Kritik der unterinstanzlichen Gerichte und der Praxis das BSG nicht dazu zu veranlassen, seine Rechtsprechung zu überdenken. Das BSG hat diese in einer neueren Entscheidung noch einmal bestätigt (vgl. BSG, Urteil vom 31.05.2016 – B 1 KR 39/15 R –). Die dadurch nach wie vor bestehende uneinheitliche Rechtslage erfordert offenbar ein erneutes Tätigwerden des Gesetzgebers, womit in dieser Legislaturperiode allerdings kaum noch zu rechnen sein dürfte. Die völlig uneinheitliche Rechtslage schafft immer neue Probleme für alle Beteiligten. Es ist mehr als bedauerlich, dass es der Sozialgerichtsbarkeit nicht gelingt die bestehenden Probleme überzeugend und einheitlich zu lösen.

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