Vergütung für neuartige Behandlungsmethoden in der stationären Versorgung

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Die Problematik der Erstattung der Kosten für neuartige Behandlungsmethoden in der stationären Behandlung nach § 137c SGB V ist nach wie vor mit erheblichen Unsicherheiten belastet.

Die Versuche des Gesetzgebers klarzustellen, dass neuartige Behandlungsmethoden in der stationären Behandlung weiterhin grundsätzlich zulässig sind und § 137c SGB V einen Erlaubnistatbestand mit Verbotsvorbehalt darstellt, werden durch die Rechtsprechung des BSG konterkariert (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 17/17 R –). Umso mehr ist es zu begrüßen, dass das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einer aktuellen Entscheidung vom 11.12.2018 (– L 11 KR 206/18 –) sich noch einmal deutlich von der Rechtsprechung des BSG abgegrenzt hat.

Das Gericht weist daraufhin, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Begriffs des Potenzials in § 137 c SGB V den besonderen Bedarf nach neuartigen Behandlungsmethoden in der Versorgung von stationär behandlungsbedürftigen und daher typischerweise schwer erkrankten Versicherten“ sicherstellen wollte (so ausdrücklich BT-Drs. 17/6906 S. 86). Gerade diese Klarstellung im Gesetz war eine Reaktion auf die geänderte Rechtsprechung des BSG. Denn das BSG war ebenfalls davon ausgegangen, dass eine Methode im stationären Bereich solange erbracht werden kann, bis der der Gemeinsame Bundesausschusses (GBA) sie ausgeschlossen hat (so bereits BSG, Urteil vom 19.02.2003 – B 1 KR 1/02 R –). Nunmehr meint das BSG allerdings, dass § 137c SGB V nicht als generelle Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden dürfe, sondern immer eine Prüfung der eingesetzten Methoden auf Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit im Einzelfall im Sinne eines Verbotsvorbehalts erfordert (so nun BSG, Urteil vom 28.07.2008 – B 1 KR 5/08 R –). Danach entspricht den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V eine Behandlung nur dann, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt auch nach dem BSG im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen, die in ihrer Gesamtheit den Stand der medizinischen Erkenntnisse abbilden (so etwa BSG, Urteil vom  21.03.2013, – B 3 KR 2/12 R –). Unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse ist nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist. Eine Abmilderung des Qualitätsgebots kann sich insbesondere daraus ergeben, dass auch bei der Beurteilung der neuartigen Behandlungsmethoden im Krankenhaus in einschlägigen Fällen eine grundrechtsorientierte Auslegung der Grenzmaßstäbe nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (sog. Nikolausentscheidung vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 –) stattzufinden hat.

Gegen diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber aber mit der Einführung des Begriffs „Potenzial einer Behandlungsalternative“ nach dem Landessozialgericht Baden-Württemberg einen Mittelweg eingeführt zwischen Anerkennung und Ablehnung einer Methode nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, so dass auch eine mit niedrigerer Evidenz belegte Behandlungsalternative ausreicht. Dies folgt nach dem Gericht bereits aus dem Wortlaut des § 137c SGB V. Nach § 137c Abs.1 Satz 2 SGB V darf der GBA die Anwendung einer bestimmten Behandlungsmethode nicht bereits dann untersagen, wenn eine Überprüfung ergibt, dass Nutzen dieser Methode nicht hinreichend belegt ist, sondern erst dann, wenn die Methode darüber hinaus auch nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet. Die Auffassung des BSG, dass die Regelungen in § 137c SGB V nur Raum für den GBA schaffen, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung ergibt, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet (so BSG, Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 17/17 R –) wird vom Landessozialgericht Baden-Württemberg abgelehnt. Aus § 137c Abs. 1 Satz 2 SGB V folge vielmehr auch, dass Behandlungsmethoden, deren Nutzen noch nicht hinreichend belegt ist, die aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten, nicht von vornherein im Rahmen einer Krankenhausbehandlung ausgeschlossen sind. Damit wird nicht die grundsätzliche Ausrichtung der Leistungsansprüche Versicherter am Qualitätsgebot auch bei Krankenhausbehandlung beseitigt, wie das BSG meint. Das in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geregelte Qualitätsgebot wird aber in § 137c SGB V speziell für im Rahmen der Krankenhausbehandlung vorgesehene oder bereits zur Anwendung kommende Methoden konkretisiert. Ein derartiges Verständnis der Norm bedeutet nicht, dass damit alle beliebigen Methoden für das Krankenhaus erlaubt sind und das Qualitätsgebot im stationären Bereich außer Kraft gesetzt wird.

Klarstellend hat der Gesetzgeber als weitere Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG  mit dem GKV-VSG vom 16.07.2015 den § 137c Abs. 3 SGB V eingefügt Der Gesetzgeber wollte damit ausdrücklich das Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt konkreter im Gesetz regeln (BT-Drs 18/4095 S. 121) und einheitliche Bewertungsmaßstäbe für innovative Methoden in der stationären Versorgung sowohl auf der Ebene des GBA als auch auf der Ebene der Entscheidung über die Leistungserbringung vor Ort, etwa über den Abschluss einer Vereinbarung über ein Entgelt nach § 6 Abs. 2 KHEntgG gewährleisten (BT-Drs 18/5123 S. 135). Nur bei einem derartigen Verständnis des § 137c SGB V passen die Regelungen über die Qualitätssicherung nach Auffassung des Gerichts mit den Vorschriften im Bereich der Krankenhausfinanzierung zu den NUB-Entgelten in § 6 Abs. 2 KHEntgG zusammen.

Die gut begründete Entscheidung ist allein schon deshalb lesenswert, weil sie die Gesetzgebungsgeschichte des § 137c SGB V mit Blick auf die Rechtsprechung des BSG darstellt und letztere unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks des § 137c SGB V kritisch würdigt. Ihr ist auch im Ergebnis zuzustimmen, weil nur unter diesen Bedingungen die behandlungsbezogene Erprobung neuer Behandlungsmethoden in der stationären Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten verankert werden kann, wofür es gerade im Bereich der onkologischen Erkrankungen einen zwingenden Bedarf gibt.

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