Wirtschaftliche Pflicht zur Operation in der Nacht?

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Diskussionen um die Verweildauer bei einer stationären Behandlung führen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen manchmal zu merkwürdigen Auffassungen, die mit der Versorgungsrealität nicht in Einklang zu bringen sind.

So musste das Landessozialgericht Hamburg mit Urteil vom 20.01.2022 (– L 1 KR 101/20 –) tatsächlich klarstellen, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot Krankenhäuser nicht verpflichtet, Operationen ohne Notfallindikation auch zu Nachtzeiten durchzuführen, um eine möglichst frühe Entlassung zu ermöglichen.

Im entschiedenen Fall wurde der Patient am 03.09.2015 um 17.24 Uhr per Selbsteinweisung im Krankenhaus aufgenommen. Die an diesem Tag durchgeführte Notfalldiagnostik  war gegen 22:00 Uhr beendet. Der Patient wurde sodann auf die Station gebracht. Die notwendige Operation erfolgte am nächsten Tag. Der Patient wurde am 05.09.2015 entlassen. Die Krankenkasse erkannte nur einen Tag für die stationäre Behandlung an, weil eine Operation bereits am Aufnahmetag (also nach 22.00 Uhr) hätte erfolgen können.

Das erstinstanzliche Gericht hatte die Klage des Krankenhauses noch abgewiesen und darauf hingewiesen, dass der Patient theoretisch bereits in der Nacht vom 03. auf den 04.09.2015 hätte operiert werden können. Es seien keine medizinischen Gründe in der Person des Versicherten vorhanden gewesen, die einer zügigen Operation entgegengestanden hätten. Allein aufgrund der Tatsache, dass es sich bei dem Versicherten um keinen akuten Notfall gehandelt habe, sei nachts nicht operiert worden, weil zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus nur Ärzte für akute Notfälle zur Verfügung gestanden hätten. Dies sei allerdings kein Grund, der seine Ursache in der gesundheitlichen Situation des Versicherten gehabt habe. Auch wenn die Krankenhäuser weder verpflichtet noch in der Lage seien, für derartige Situationen organisatorische Vorkehrungen zu treffen, führe dies nicht dazu, diese Risiken der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzubürden, weil es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehle.

Dieser Auffassung folgte das LSG Hamburg allerdings nicht.

Das Gericht stellte zunächst klar, dass Krankenhäuser nicht verpflichtet sind, die Versorgung in einem vollen 3-Schichten-Betrieb Operationen durchführen, dies nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen, denn letztlich müssten die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten auch vom Beitragsaufkommen der Versicherten gedeckt werden. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass diejenigen Operationen, die aus medizinischer Sicht nicht zwingend sofort durchgeführt werden müssen, erst am Folgetag in der Tagesschicht erfolgen. Insofern bleibt die Frage zu klären, wie mit sogenannten Fällen der aufgeschobenen Dringlichkeit umzugehen ist. Im vorliegenden Fall war für das Gericht die Entscheidung der Krankenhausärzte nachvollziehbar, den Versicherten stationär über Nacht aufzunehmen, seinen Allgemeinzustand zu kontrollieren und zu beobachten, um im Notfall eingreifen zu können. Im Rahmen der Beweisaufnahme ist für das Gericht deutlich geworden, dass es in diesen Fällen sachgerecht ist, den Versicherten nicht wieder nach Hause zu schicken, weil die Erkrankung sehr schnell in einen lebensbedrohlichen Zustand wechseln kann, der dann in häuslicher Umgebung nicht mehr kontrollierbar wäre., so dass auch eine vorübergehende Entlassung des Patienten nicht zu verantworten wäre.

Das LSG Hamburg gab der Klage daher statt.

Unter Berücksichtigung des konkreten Zeitablaufs ist zunächst zu begrüßen, dass das Gericht klarstellt, dass es auch in Fällen der „aufgeschobenen Dringlichkeit“ mit dem sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot zu vereinbaren ist, dass eine Operation nicht zu Nachtzeiten durchgeführt werden muss, wenn es sich nicht um eine Notfalloperation handelt. Eine andere Ansicht dürfte mit der Versorgungsrealität auch nicht ein Einklang zu bringen sein. Hinzukommt, dass diese Verschiebung der Operation nicht bedeutet, dass dann eine Entlassung des Patienten erforderlich ist. Denn auch wenn die Operation verschoben werden kann, bedeutet dies nicht, dass keine stationäre Behandlungsnotwendigkeit mehr besteht. Allerdings ist dies auch nach den LSG Hamburg eine Frage des Einzelfalls. Zumindest aber wenn die weitere Überwachung über Nacht medizinisch notwendig ist, um lebensbedrohliche Verschlechterungen zu vermeiden, dürften an der medizinischen Notwendigkeit der stationären Behandlung keine Zweifel bestehen.

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