BSG bejaht Schadensersatzanspruch bei unnötiger Verlegung

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Das BSG scheint prinzipiell der Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen zu einem möglichen Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen das Krankenhaus bei einer nicht begründeten Verlegung zu folgen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.01.2022 – L 10 KR 142/20 –). Dies ergibt sich zumindest aus dem bekannten Inhalt der Entscheidung des BSG vom 07.03.2023 (- B 1 KR 4/22 R -), von der allerdings derzeit nur der Terminsbericht bekannt ist.

Das BSG nahm zwar an, dass dem Krankenhaus der streitige Vergütungsanspruch für die durchgeführte Behandlung der Versicherten zustand und dies nicht davon abhängt, ob die Verlegung der Versicherten in das wohnortnahe Krankenhaus medizinisch notwendig war.

In Betracht kommt aber nach dem BSG ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung der sich aus § 12 Abs. 1 und § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V sowie § 17c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KHG ergebenden Pflichten des Krankenhauses.

Eine Verlegung führt trotz der damit verbundenen Vergütungsabschläge beider Krankenhäuser regelmäßig zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse. Deshalb bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes, den das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Als sachliche Gründe für eine Verlegung kommen nach dem BSG aber nicht nur zwingende medizinische Gründe in Betracht, sondern auch zwingende Gründe in der Person des Versicherten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Abs. 1 KHG) in Betracht. In einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem kann die Verlegung aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe (zum Beispiel Maximalversorger) in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe (zum Beispiel Grundversorger) gerechtfertigt sein, wenn und soweit es zur Behandlung des Versicherten der besonderen Mittel des Krankenhauses der höheren Stufe nicht mehr bedarf und die dortigen Versorgungskapazitäten für andere Patienten benötigt werden. Keines gesonderten sachlichen Grundes für die Verlegung bedarf es dagegen, wenn und soweit hierdurch für die Krankenkasse keine Mehrkosten entstehen.

Sollte ein Schadensersatzanspruch danach zu bejahen sein, hätte die Krankenkasse mit diesem wirksam gegen die unstreitige Vergütungsforderung des Krankenhauses aufgerechnet und wäre auch nicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale verpflichtet. Ein sich aus der Prüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ergebender Schadensersatzanspruch wäre der von § 275 Absatz 1c Satz 3 SGB V aF geforderten Minderung des Abrechnungsbetrages im Wege der Analogie gleichzustellen.

Auch wenn die Entscheidung noch nicht vorliegt und die Begründung der Entscheidung sicherlich noch einer eingehenden Analyse bedarf, kann schon festgestellt werden, dass die Entscheidung den Krankenhäusern erhebliche Probleme bereiten wird. Denn die Begründung von „Pflichten“ des Krankenhauses unter allgemeiner Berufung auf gesetzliche Generalklauseln wie das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V oder das Bestehen eines Versorgungsauftrags nach § 109 Abs. 4 SGB V wird eine Fülle von Möglichkeiten bieten, Schadensersatzansprüche zugunsten der Krankenkassen zu begründen. Die Verlegungsproblematik zeigt dies sehr deutlich, weil die Vertragspartner im Rahmen der Fallpauschalenverordnung sich eigentlich Gedanken über die Möglichkeiten und Grenzen der Verlegung gemacht haben und dazu eine konsentierte Lösung gefunden haben. Diese vertraglichen Regelungen werden nun aber unter Berufung auf allgemeine Grundsätze über den Haufen geworfen und führen sogar zur Annahme von pflichtwidrigen Handlungen und Schadensersatzansprüchen. Auch mit dieser Entscheidung setzt das BSG seine bedenkliche Tendenz fort, die Verhandlungslösungen der Selbstverwaltungspartner zu entwerten. Zumindest erkennt das BSG aber an, dass eine Verlegung nicht allein aus medizinischen Gründen gerechtfertigt sein kann, wie dies von Seiten der Krankenkassen vertreten wird. Auch hier wird die Rechtsprechung noch klären müssen, ob und unter welchen Bedingungen eine Verlegung innerhalb unterschiedlicher Versorgungsstufen möglich sein wird.

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