Keine bedarfsunabhängige Gründung von Zweigpraxen bei Übernahme von Praxen durch ein MVZ?

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Die Gründung von Zweigpraxen ist gerade für radiologisch- und strahlentherapeutisch-orientierte Medizinische Versorgungszentren von erheblichen Interesse. Bei der Übernahme von Vertragsarztsitzen kann die Gründung einer Zweigpraxis am bisherigen Standort der übernommenen Praxis ein wichtiger Standortvorteil sein. So können effektive Praxisnetze betrieben werden, die auch in versorgungsschwachen Regionen eine hochwertige Versorgung der Versicherten garantieren können.

Trotz des mittlerweile in § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V vorgesehenen Versorgungsvorbehaltes hatte gerade bei der Übernahme von Praxen durch Medizinische Versorgungszentren, der Gesetzgeber diese Situation offenbar vor Augen. In der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 103 Abs. 4a SGB V hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei möglichen Versorgungsproblemen durch die Übernahme eines Vertragsarztsitzes durch ein Medizinisches Versorgungszentrum zu prüfen sei, ob am bisherigen Niederlassungsort eine Zweigpraxis einzurichten sei (vgl. BT-Drs. 17/6906, Seite 77). Dieser Argumentation folgend hat auch das Hessisches Landessozialgericht angenommen, dass in diesen Konstellationen eine gesonderte Prüfung der Zulässigkeit nach § 24 Abs. 3 Ärzte-Zulassungsverordnung obsolet sei und das Medizinische Versorgungszentrum einen Anspruch auf Genehmigung der Zweigpraxis habe (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19.12.2008 – L 4 KA 106/08 ER –).

Diesem überzeugenden Ansatz ist nun aber das Sozialgericht Marburg in einer aktuellen Entscheidung vom 09.03.2016 entgegengetreten (vgl. SG Marburg, Urteil vom 09.03.2016 – S 16 KA 73/15 –; so bereits schon SG Marburg, Urteil vom 06.01.2016 – S 16 KA 479/14 –).

Das Sozialgericht Marburg hat selbst in den zitierten Entscheidungen angenommen, dass auch bei Übernahme des Vertragsarztsitzes durch ein Medizinisches Versorgungszentrum nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV vollständig zu prüfen sei, ob durch die Zweigpraxis eine Verbesserung der Versorgung der Versicherten eintrete. Werde durch die Zweigpraxis keine qualitative Versorgungsverbesserung durch ein besseres Leistungsangebot noch eine quantitative Versorgungsverbesserung (etwa durch Verringerung von Wartezeiten oder besondere Sprechstunden) scheide eine Genehmigung der Zweigpraxis aus.

Aus § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V folge nach dem Sozialgericht Marburg kein Verzicht auf eine Bedarfsprüfung im Rahmen des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV, weil ein entsprechender Wille des Gesetzgebers sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch einer historischen Auslegung ergebe. § 24 Ärzte-ZV diene nach dem Sozialgericht Marburg vielmehr der Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung, welche die Änderung in § 103 Abs. 4a SGB V ebenfalls als Ziel verfolgte. Dabei weist das Sozialgericht Marburg ausdrücklich darauf hin, dass der Gesetzgeber davon abgesehen habe, dass unter dem Dach eines Medizinisches Versorgungszentrums voraussetzungslos ein Filialnetz betrieben werden dürfe. Vielmehr seien auch Zweigpraxen eines Medizinischen Versorgungszentrums nur unter den normierten Voraussetzungen zulässig.

Diese Entscheidung ist mit Blick auf die amtliche Begründung der Änderung des § 103 Abs. 4a SGB V sowie der vom Gesetzgeber gewollten Privilegierung der Medizinischen Versorgungszentren in überversorgten Bereich durchaus kritisch zu hinterfragen. Denn würden einer Übernahme eines Vertragsarztsitzes durch ein Medizinisches Versorgungszentrum wirklich Versorgungsprobleme entgegenstehen, müsste zur Beseitigung der Versorgungsprobleme ggf. die Möglichkeit der Aufrechterhaltung einer Zweigpraxis geprüft werden, was dann aber in der Regel zu einem Anspruch auf Genehmigung der Zweigpraxis führen müsste. Aber selbst wenn die Übernahme des Vertragsarztsitzes nach § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V zulässig wäre, würde durch die Genehmigung der Zweigpraxis die vorhandene Versorgungssituation nicht verändert. Warum hier dann eine gesonderte Bedarfsprüfung für die Aufrechterhaltung des Praxisstandortes notwendig sein soll, wenn sogar die Übernahme des Vertragsarztsitzes unabhängig vom Bedarf erfolgen soll, erschließt sich nicht.

Die unterschiedlichen Entscheidungen der Gerichte zeigen deutlich, dass bei der Übernahme von Vertragsarztsitzen durch Medizinische Versorgungszentren eine gründliche Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen erforderlich ist.

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