Massenprüfungen durch den MDK bleiben rechtswidrig

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Der Gesetzgeber hat mit der Neugestaltung des Prüfverfahrens nach § 275 SGB V in den letzten Jahren viel Mühe darauf verwendet, die Zahl der Prüfverfahren auf ein verträgliches Maß zu senken. Mit diesem Ziel ist der Gesetzgeber aber gescheitert. Mittlerweile sind Prüfquoten von 20 bis 25 % keine Seltenheit in den Krankenhäusern. Die teilweise für alle Beteiligten überraschende Rechtsprechung des 1. Senates des BSG liefert für die Krankenkassen leider immer wieder Anlass Massenprüfungen einzuleiten, die mit dem Sinn und Zweck der Einzelfallprüfung nach § 275 SGB V nichts zu tun haben. Gerade die Rechtsprechung des BSG zu den Anforderungen der Codierung von Komplexpauschalen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 26/13 –) oder etwa zur Fallzusammenführung und zum fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2017 – B 1 KR 29/16 R –) war Anlass für die Krankenkassen oft ohne Bezug zum individuellen Behandlungsfall eine Vielzahl von Prüfverfahren einzuleiten. Auch in jüngster Zeit sind wieder solche Massenprüfungen zu beobachten.

Dieses Vorgehen ist immer wieder von der Rechtsprechung kritisch beurteilt worden (vgl. etwa Bayerisches LSG, Urteil vom 16.01.2018 – L 5 KR 403/14 –; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.06.2017 – L 4 KR 40/16 – und SG Regensburg, Urteil vom 12.04.2017 – S 2 KR 654/16 –).

Völlig zutreffend weisen die Gerichte daraufhin, dass Sinn und Zweck des Prüfverfahrens nach § 275 SGB V allein die Einzelfallprüfung ist und das im Gesetz vorgesehene Prüfverfahren die Krankenkassen nicht zu Massenprüfungen im Sinne einer controllingorientierten Prüfung befugt. Dennoch leiten einige Krankenkassen mit einer Vielzahl identischer Schreiben Prüfverfahren ein, die sich zur Begründung ausschließlich auf die Entscheidungen des 1. Senates des BSG ohne Bezugnahme auf den konkreten Einzelfall beziehen. Oft werden dabei erst nachträglich die Verletzung von Mitwirkungspflichten behauptet, welche die Krankenhäuser und Krankenkassen vor den Entscheidungen des 1. Senates des BSG noch gar nicht kannten (wie etwa die Angaben zur medizinischen Rehabilitation nach § 301 SGB VBSG, Urteil vom 14.10.2014 – N 1 KR 26/13 –).

Zwar weisen Gerichte daraufhin, dass die Krankenkassen bei der Behauptung der Verletzung von Mitwirkungspflichten genau darlegen müssen, worin sie die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten sieht und welche konkreten Daten für die Beurteilung des Prüffalles fehlen (vgl. auch unseren Bericht zum SG Regensburg, Urteil vom 12.04.2017 – S 2 KR 654/16 –), in der Praxis beschränken sich die Krankenkassen nach wie vor auf die Übersendung von Musterschreiben, die keinerlei Bezug zum konkreten Behandlungsfall erkennen lassen.

Diese rechtswidrigen Massenprüfungen sind rechtsmissbräuchlich und stellen keine Prüfverfahren nach § 275 SGB V dar. Die Krankenhäuser sollten sich mit Hilfe der Gerichte gegen dieses rechtswidrige Vorgehen der Krankenkassen gezielt zur Wehr setzen. Faktisch können die Krankenhäuser aber das Risiko der erheblichen Aufrechnungen durch die Krankenkassen nur dadurch verhindern, dass die rechtswidrig eingeleiteten Prüfverfahren tatsächlich durchgeführt werden. Damit werden aber sämtliche Zielsetzungen des Gesetzgebers durch die Reformen des Prüfrechts konterkariert. Die rechtswidrigen Massenprüfungen binden bei den Krankenhäusern ferner erhebliche Ressourcen und führen teilweise zu der absurden Situation, dass der medizinische Dienst der Krankenkassen gar nicht in der Lage ist, die Vielzahl der Prüfverfahren fristgerecht zu bearbeiten. Zur Lösung dieser Problematik wäre es wünschenswert, wenn der 1.Senat nicht nur Anforderungen für die Mitwirkungspflichten der Krankenhäuser formuliert, sondern auch Anforderungen an die Einleitung der Prüfverfahren. Hier scheint aber wenig Hoffnung zu bestehen, wenn berücksichtigt wird, dass der 1. Senat des BSG durch das Prüfverfahren auf sachlich-rechnerische Richtigkeit, ein Verfahren erfunden hat, das offenkundig erst einmal überhaupt keinen rechtlichen Bindungen unterlag. Auch hier hilft wohl nur die Hoffnung auf ein erneutes Einschreiten des Gesetzgebers.

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