Zur rechtlichen Wirksamkeit der Allgemeinverfügungen über Ausgangsbeschränkungen

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Die weitgehenden Ausgangsbeschränkungen der Länder werfen viele rechtliche Fragen auf, so dass es absehbar war, dass gegen die Allgemeinverfügungen der Länder zu den Ausgangsbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie Rechtsmittel im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO eingelegt worden sind, auch wenn es eventuell dringendere Probleme gibt.

So wollte ein Ehepaar in Schleswig-Holstein offenbar nicht auf den Besuch der Ferienwohnung verzichten und wende sich daher gegen die entsprechende Allgemeinverfügung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht wies den Antrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Ehepaars gegen die Allgemeinverfügung allerdings mit Beschluss vom 25.03.2020 (- 1 B 30/20 -) zurück.

Das Gericht nahm aufgrund der gebotenen Eile der Entscheidung an, dass es zwar weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit der ergangenen Allgemeinverfügung im Hinblick auf das Verbot der Anreise der touristischen Nutzung einer Ferienwohnung feststellen könne, die Allgemeinverfügung aber eine Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG finden kann. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügten Beschränkungen ist nach Ansicht des Gerichts der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dabei bestehen nach Ansicht der zuständigen Richter keine Zweifel daran, dass es sich bei der Erkrankung COVID-19 um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG handelt, so dass der Anwendungsbereich des Infektionsschutzgesetzes, der sich mit der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten befasst, eröffnet ist.

Die Einwendungen des reiselustigen Ehepaars gegen die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung führen nach Meinung der Richter dagegen nicht zu der rechtlichen Bewertung, dass bei der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sich die Allgemeinverfügung als offensichtlich rechtswidrig erweist, insbesondere soweit diese die angeblich fehlende oder unzureichende Ermächtigungsgrundlage betreffen, Denn selbst bei Fehlen einer ausreichenden normativen Grundlage ist dies für eine Übergangszeit hinzunehmen, wenn durch die mangelnde Beachtung einer Verwaltungsvorschrift in einer Übergangszeit ein Zustand entstünde, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als die bisherige Lage. Eine solches der Verfassung noch fernliegenderes Systemversagen staatlicher Daseinsvorsorge steht nach Ansicht des Gerichts mit Blick insbesondere auf die ländliche Bereiche Schleswig-Holsteins zu befürchten, sollten die durch Landesregierung und Kommunen erlassenen Rechtsverordnungen und Erlasse zur Eindämmung der Corona-Pandemie für rechtswidrig erklärt und nicht befolgt werden müssen. Angesichts der nicht vorhersehbaren Lage einer weltweit außergewöhnlichen Bedrohung der Bevölkerung durch einen neuartigen Krankheitserreger, ist es vorliegend zumutbar und hinzunehmen, eine möglicherweise den Anforderungen der hinreichenden Bestimmtheit und dem Vorbehalt des Gesetzes gerecht werdende Ermächtigungsgrundlage dennoch anzuwenden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber schlechterdings mangels Vorhersehbarkeit des konkreten Pandemiefalles nicht spezialgesetzliche Ermächtigungen normieren konnte. Gemessen an diesen Maßstäben überwiegt im vorliegenden Fall nach Ansicht der Richter das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des sich aus der Allgemeinverfügung ergebenden Anreiseverbots das private Aufschubinteresse zum Zwecke der Anreise an den Ort der Ferienwohnung zu Erholungs-und Freizeitzwecken.

Der Entscheidung ist insbesondere hinsichtlich der vorgenommenen Interessenabwägung zu zustimmen. Auch die Freiheitsrechte unserer Verfassung begründen keinen „Selbstmordpakt“, auch wenn gerade in Krisenzeiten die Rechtmäßigkeit weitgehender staatlicher Eingriffe in diese Freiheitsrechte der richterlichen Kontrolle mehr als sonst bedarf. Dies ist das Wesen eines funktionierenden Rechtsstaats. Ob der individuelle Wunsch nach einem Wochenendurlaub am Meer aber in Zeiten einer Pandemie der richtige Ansatzpunkt ist, die individuellen Freiheitsrechte zu verteidigen, darf bezweifelt werden.

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