Umfang der Präklusion bei Anforderung von Unterlagen durch den MD

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Die Frage der Präklusion nach § 7 PrüfvV in den Jahren 2014 und 2016 beschäftigt leider nach wie vor die Sozialgerichte in zahlreichen Verfahren.

Das BSG hatte in einer Reihe von Entscheidungen vom 18.05.2021 (- B 1 KR 32/20 und B 1 KR 24/20 -) zunächst festgestellt, dass die Regelung zur Verfristung der durch den MD angeforderten Unterlagen nach § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist enthalten, sondern eine materielle Präklusion begründet, so dass die Vergütungsforderung des Krankenhauses nicht auf der Grundlage präkludierter Unterlagen durchgesetzt werden kann. Die Gerichte dürfen präkludierte Unterlagen bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigen, wobei sich die Präklusionswirkung nur auf die vom MD konkret angeforderten Unterlagen bezieht.

In einer weiteren Entscheidung vom 10.11.2021 hatte das BSG aber zu § 7 Abs. 2 PrüfvV 2016 klargestellt, dass diese zwar auch nur eine materielle Präklusion begründet, sich diese Präklusionswirkung aber auch auf Unterlagen beziehen kann, welche der MD nicht konkret angefordert hat. Danach trifft das Krankenhaus zwar grundsätzlich keine von der Anforderung des MD unabhängige Obliegenheit zur Übersendung von Unterlagen. Es „kann“ aber nach dem BSG akzessorisch zu den Unterlagenanforderungen des MD nach § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2016 die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen „ergänzen“. Aus diesem Satz und dem weiteren Satz 5 des § 7 Abs 2 PrüfvV 2016 folgt nach dem BSG die Obliegenheit des Krankenhauses, zusätzlich zu den vom MD ihrer Art nach konkret bezeichnet angeforderten Unterlagen weitere Unterlagen zu übersenden, die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlich sind (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R –).

An die Obliegenheit des Krankenhauses zur inhaltlichen Prüfung und zur Ergänzung der Unterlagen dürfen jedoch nach Ansicht des BSG keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Die Verantwortung für die Festlegung des Prüfumfangs und der Ermittlungstiefe liegt nach wie vor beim MD, so dass auch der MD im Grundsatz nach wie vor auch das Risiko trägt, nicht alle prüfrelevanten Unterlagen angefordert zu haben. Das Krankenhaus trifft lediglich die Obliegenheit, die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen zu ergänzen. Diese Obliegenheit ist nach Meinung des BSG Ausfluss der Verpflichtung des Krankenhauses, mit dem MD konstruktiv zusammenzuarbeiten und ihn bei der Durchführung des Prüfverfahrens zu unterstützen. Dabei hat das Krankenhaus nach Ansicht des BSG aber nicht die Obliegenheit, in jedem Einzelfall die gesamte Dokumentation daraufhin durchzusehen, welche Unterlagen möglicherweise noch prüfrelevant sein könnten. Mehr als eine kursorische Durchsicht der nicht angeforderten Behandlungsunterlagen daraufhin, ob diese für die Erfüllung des Prüfauftrages ersichtlich relevant sein können, kann vom Krankenhaus regelmäßig nicht erwartet werden. Der genaue Umfang der Mitwirkungsobliegenheit des Krankenhauses hängt auch vom Umfang und der Konkretisierung des jeweiligen Prüfauftrages ab.

Die Beschränkung auf eine kursorische Durchsicht ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2016, wonach das Krankenhaus die aus seiner Sicht zur Erfüllung des „konkreten Prüfauftrages“ erforderlichen Unterlagen ergänzen kann, sowie aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Bei einem umfassenden Prüfauftrag im Sinne einer sogenannten „Vollprüfung“ der Wirtschaftlichkeit der Behandlung und der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung ist für das Krankenhaus regelmäßig nur schwer abschätzbar, welche Unterlagen prüfrelevant sein könnten. Es müsste dann zum Ausschluss einer Präklusion regelmäßig sämtliche Behandlungsunterlagen übersenden, was dem Ziel eines effizienten und schlanken Prüfverfahrens widerspräche und die Verantwortung für die Festlegung des Prüfumfangs und der Prüftiefe vom MDK auf das Krankenhaus abwälzen würde. Bei Prüfaufträgen, die punktuell auf einzelne konkrete Fragestellungen beschränkt sind, kann vom Krankenhaus ggf. auch eine genauere Durchsicht der hierfür in Betracht kommenden Unterlagen verlangt werden.

Die Entscheidung des BSG vom 10.11.2021 (– B 1 KR 16/21 R –) begründet leider genau die Problematik, die das BSG eigentlich zu verhindern sucht. Denn in der Praxis wird nun im jeweiligen Einzelfall umfangreich über die Reichweite der angeblichen Obliegenheit des Krankenhauses zur Ergänzung der Unterlagen gestritten. Denn natürlich ist es aus Sicht der Krankenkassen bei dieser Auslegung vorteilhaft, wenn der MD bestimmte Unterlagen nicht anfordert, um sich nachträglich auf die Präklusionswirkung zu berufen und damit den Vergütungsanspruch des Krankenhauses zu entkräften. Im Ergebnis verlagert sich dann der Streit auf die Frage, ob das Krankenhaus unter Berücksichtigung des Prüfauftrages nicht bei kursorischer Durchsicht der Unterlagen nicht hätte erkennen müssen, dass der MD auch bestimmte nicht angeforderte Unterlagen benötigt. In einer aktuellen Fallgestaltung aus unserer Praxis ist daher strittig, ob bei einer Vollprüfung durch den MD, bei der auch operative OPS-Kodes geprüft werden sollten, zwingend auch der Operationsbericht vorzulegen ist, auch wenn dieser nicht angefordert worden ist, wobei sich natürlich auch die Frage stellt, warum dann der MD diese offensichtliche Unterlage nicht auch anfordert. Das offenkundige Versäumnis des MD wird über den Umweg der Annahme einer Obliegenheitsverletzung zum Problem des Krankenhauses. Dieser Problematik kann das Krankenhaus nur dadurch entgehen, dass die gesamte Behandlungsakte zur Prüfung an den MD übersendet, was allerdings vom BSG mit Blick auf die Effektivität des Prüfverfahrens gerade nicht gewollt ist.

Dabei ist die vom BSG vertretene Auslegung auch nicht überzeugend. Denn aus der in § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2016 ergänzten Möglichkeit des Krankenhauses, die Unterlagen zu ergänzen, eine Obliegenheit abzuleiten, die wieder mit der sehr weitgehenden Rechtsfolge einer Präklusion verbunden ist, ist weder durch den Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Norm geboten.

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