Zu späte Übersendung von Behandlungsunterlagen – Ausschlussfrist in der PrüfvV?

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Nach wie vor ist durch die Rechtsprechung nicht abschließend geklärt, ob die vierwöchige Frist für die Übersendung der Behandlungsunterlagen in § 7 Abs. 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) vom 01.09.2014 eine echte Ausschlussfrist ist.

In der aktuellen Regelung des § 7 Abs. 2 PrüfvV haben sich die Vertragsparteien im gegenseitigen Interesse für eine differenzierte Regelung entschieden, die neben einer längeren Frist auch die Möglichkeit einer Nachlieferung von Unterlagen durch das Krankenhaus gegen eine Aufwandsentschädigung für die Krankenkasse vorsieht.

Die vorangehende Regelung wird von den Krankenkassen aber als strenge Ausschlussfrist gesehen, wozu sich die Krankenkassen auf die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 17.04.2018 (- L 11 KR 936/17 -) berufen. Mehrere Sozialgerichte vertreten dazu aber eine andere Ansicht und weisen insbesondere auf die fehlende Ermächtigungsgrundlage sowie den unklaren Wortlaut des § 7 Abs. 2 PrüfvV hin (vgl. etwa SG Lüneburg, Urteil vom 22.02.2018 – S 9 KR 192/15 –).

In einer aktuellen Entscheidung vom 02.01.2019 (- S 14 KR 1/18 -) hat das SG Marburg die Rechtsposition der Krankenkassen gestärkt und ebenfalls angenommen, dass es sich bei § 7 Abs. 2 PrüfvV um eine Ausschlussfrist handelt.

Nach Ansicht des SG Marburg ist § 17c Abs. 2 KHG auch eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Vereinbarung einer echten Ausschlussfrist. Die Ermächtigung zu den weiteren Verfahrensregelungen beinhaltet nach dem SG Marburg auch die Ermächtigung zur Regelung der aus der Nichteinhaltung folgenden Konsequenzen.

Bereits der Wortlaut der Regelung des § 17c Abs. 2 KHG legt nach Ansicht des Gerichts nahe, dass den Vertragsparteien ein gewisser Spielraum eingeräumt worden ist, welche Inhalte sie für regelungsbedürftig und -relevant halten, indem das „Nähere zum Prüfverfahren nach § 275c SGB V“ geregelt werden kann. Das S Marburg meint, dass auch nach dem Willen des Gesetzgebers die Benennung der zu vereinbarenden Regelungsinhalte in § 17c Abs. 2 KHG nicht abschließend sei, wozu die Gesetzbegründung auch beispielhaft die Abwicklung von Rückforderungen und die Zulässigkeit von Aufrechnungen mit offenen Forderungen benennt, weshalb auch die Voraussetzungen dieser Sachverhalte einer Regelung in der PrüfvV zugänglich sein müssen. Den Vertragsparteien ist damit nach Auffassung des SG Marburg ein Spielraum eingeräumt, die Modalitäten für die Abrechnungsprüfungen festzulegen. Dazu können Regelungen zur Prüfungsdauer und zu Fristen für die Einreichung von Unterlagen gehören, weil es im Interesse beider Beteiligten läge, in absehbarer Zeit Klarheit zu erhalten und eine zügige endgültige Abrechnung zu gewährleisten. Um die Einhaltung von Fristen durch die Vertragsparteien sicher zu stellen, können nach der zitierten Entscheidung auch Folgen bei Vorliegen von Fristversäumnis vereinbart werden.

Die Argumentation des SG Marburg ist durchaus vertretbar, verdeutlicht aber auch, wie sehr durch die Rechtsprechung des 1.Senates des BSG Wertungswidersprüche entstehen, welche die Akteure in der Praxis ratlos zurücklassen. Denn gerade das BSG hat unter Verweis auf § 11 KHEntgG zum Inhalt von Pflegesatzvereinbarungen, welche nach den gesetzlichen Vorgaben auch Bestimmungen enthalten sollen, die eine zeitnahe Zahlung der Entgelte an das Krankenhaus gewährleisten, festgehalten, dass die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht dafür ausreicht , in der Pflegesatzvereinbarung Aufrechnungsverbote zu vereinbaren, obwohl dies gerade der Sicherung der zeitnahen Zahlung der Entgelte durch die Krankenkassen dient (vgl. BSG, Urteil vom 25.10.2016 – B 1 KR 9/16 R –). Die strengen Vorgaben des BSG für die Reichweite der Ermächtigungsgrundlage für vertragliche VEreinbarungen zwischen den Beteiligten scheinen zugunsten der Krankenhäuser nicht zu gelten.

Die Entscheidung beschäftigt sich leider auch nicht mit dem Problem, dass die Krankenhäuser in der Vergangenheit durch eingeleitete Massenprüfungen einiger Krankenkassen, oft gar nicht in der Lage waren, die zeitlichen Vorgaben des § 7 Abs. 2 PrüfvV zu erfüllen. Eine Reihe aktuell anhängiger Verfahren vor dem Sozialgericht Saarland dokumentiert diesen Umstand besonders deutlich. Die Prüfquote der Knappschaft-Bahn-See hatte in einem Krankenhaus teilweise die 40%-Grenze überschritten. Die massenweise Anforderung von Behandlungsunterlagen durch den sozialmedizinischen Dienst konnte im Krankenhaus nur mit erheblichen Personalaufwand bewältigt werden. Nach Übersendung der Behandlungsunterlagen hörte das Krankenhaus monatelang nichts mehr, so dass die offenen Vergütungen nach Ablauf der Prüffrist eingeklagt werden mussten. Die Knappschaft-Bahn-See gab in fast allen Verfahren direkt nach Zustellung der Klage Anerkenntnisse ab. Nur in wenigen Verfahren berief sich die Knappschaft-Bahn-See auf die Ausschlussfrist nach § 7 Abs. 2 PrüfvV, weil die Behandlungsunterlagen teilweise einen Tag nach Ablauf der Frist beim sozialmedizinischen Dienst eingegangen waren. Das Sozialgericht für das Saarland hat noch nicht entschieden, ob dieser offensichtliche Missbrauch des Prüfverfahrens überhaupt Mitwirkungspflichten des Krankenhauses nach der PrüfvV auslösen kann. Allerdings zeigen diese Fälle sehr deutlich, dass die Annahme einer strengen Ausschlussfrist verfehlt erscheint.

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