Zum Begriff des Zielvolumens nach dem OPS-Kode 8-52

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Dass die rasanten Entwicklungen im Bereich der Strahlentherapie von den Vergütungsregelungen kaum nachvollzogen werden, ist ein Streitpunkt in vielen Bereichen. Die teilweise irrwitzig anmutende Diskussion um die gebührenrechtliche Auslegung des medizinischen Begriffes des Zielvolumens in der Radioonkologie hat durch die aktuelle Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28.05.2021 (- L 9 KR 334/19 -) eine neue Facette erhalten, welche die Leistungserbringer ratlos zurücklässt.

Die im Bereich der der ambulanten Behandlung gesetzlich versicherter Patienten längst aufgegebene und völlig veraltete Definition des Zielvolumens Körpervolumen, welches ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige Feldanordnungen erfasst und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann, wir dagegen im OPS-Kode 8-52 nach wie vor festgehalten und wird durch die zitierte Entscheidung bestätigt.

Auch wenn durch die im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten völlig klar war, dass diese Definition des Zielvolumens angesichts der neuen Verfahren der intensitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT) keinen Sinn mehr macht und auch die Bestimmungen der Strahlenschutzverordnung von einem anderen Verständnis des Begriffes Zielvolumen ausgehen, meint das Gericht, dass sich aus dem Wortlaut des OPS-Kodes bereits ergebe, dass eine Bestrahlung, die ohne jegliche räumliche Veränderung der Patienten während des Vorganges erfolgen kann ( z.B. weil ein beweglicher Strahlerkopf das nicht erfordert) ein einheitliches Zielvolumen nicht darstellen kann. Damit sei zwar nicht ausgeschlossen, dass mehrere Zielvolumen dann gegeben sind, wenn zwar ein Körpervolumen ohne räumliche Verlagerung über eine bestimmte Feldanordnung noch erfasst werden kann, es aber nicht mit einer festgelegten Dosis oder einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann. Denkbar wäre dies nach dem Gericht aber nur in der Ausgangssituation, in der der Strahlerkopf das erfassbare Feld (ohne räumliche Änderung der Lage von Patienten/Patientinnen im Raum) nicht erreicht. Muss ein Patienten oder eine Patientin z.B. nicht für die Erfassung, aber für die Bestrahlung des einzelnen Bestrahlungsfeldes oder des gesamte Körpervolumens umgelagert werden, liegt demgemäß nicht mehr nur ein Zielvolumen und eine Fraktion vor. Im Umkehrschluss folgt daraus, muss gar keine Umlagerung/Tischverschiebung stattfinden, liegt nur ein Zielvolumen vor und wäre keine mehrfache Kodierung möglich. Diese Argumentation ist angesichts der neuen technischen Möglichkeiten einer Bestrahlung mit einer beweglichen Gantry im 360 Grad-Radius um den Patienten faktisch Unsinn und deckt sich auch nicht mit dem medizinischen Verständnis des Begriffes des Zielvolumens.

Das Gericht meint aber, dass auch die Anwendung der IMRT keine abweichende Beurteilung rechtfertigt, auch wenn das Gericht erkennt, dass die IMRT es erlaubt,  die Patienten ohne räumliche Verlagerung zu bestrahlen, weil sie mittels bildgestützter (CT-Aufnahmen) und Computerberechnung den einzelnen Bestrahlungsvorgang zuvor aufwändig plant und in der Bestrahlung selbst moderne Strahlengeräte eine intensitätsmodulierte d.h. Bestrahlung unterschiedlicher Körperregionen (Zielfelder) in unterschiedlichen Dosen mittels nur einer Strahlenquelle ermöglichen.

Das Gericht vertritt dazu allerdings die Ansicht, dass allein die Anwendung einer solchen Methode noch nicht die Verabreichung mehrerer festgelegter Dosen in mehreren bestimmten Dosiszeitmustern i.S. des OPS-Kodes darstelle, weil sich aus dem Begriff „einer festgelegten Dosis“ nicht zwingend ergebe, dass sich damit ein Zielvolumen nur mit zahlenmäßig einer Dosismenge bestimmt und sobald eine differenzierte Dosis verabreicht wird, bereits deshalb ein anderes, weiteres Zielvolumen vorliegt. Eine solche Interpretation würde allein darauf abheben, dass in dem verwendeten Wort „einer“ (festgelegten Dosis) ein Zahlwort steckt, die andere genauso mögliche Interpretation kommt hingegen dazu, dass der Begriff ein unbestimmter Artikel ist. Gegen das Zahlwort spricht dabei, dass die nachfolgenden einzelnen OPS-Kodes 8-520 ff. jeweils arabische Ziffern verwenden, um die Menge anzuzeigen, hingegen keine Zahlwörter. Außerdem meint „eine Dosis“ umgangssprachlich gerade nicht eine über alle Bereiche identisch hohe Dosis. Schließlich schickt gerade Satz 3 dem Satz 4 voraus, dass alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder von einer Fraktion erfasst sein sollen, das spricht für eine gesamthafte Betrachtung des technischen Geschehens.

Die einheitliche medizinisch anders lautende Auslegung des Begriffs des Zielvolumens, will das Gericht nicht akzeptieren und reduziert das medizinische Verständnis auf den Begriff der „klinischen Volumina“, womit die gesamt strahlenbiologische Begriffsdefinition, die auch der Strahlenschutzverordnung  zugrunde liegt, schlicht unterschlagen wird.

Letztlich rettet sich das LSG Berlin-Brandenburg mit dem Hinweis, dass letztlich die Wortlautauslegung maßgeblich sei und auch unterschiedliche Vergütungsregelungen im ambulanten und stationären Bereich zu akzeptieren seien. Die Rechtsprechung sei danach nicht ermächtigt, die vertraglichen Vergütungsbestimmungen zu modifizieren. Solle für die moderne Bestrahlung auch im stationären Bereich eine Mehrfachkodierung eröffnet werden, wäre eine dem EBM-Ä entsprechende Neufassung des OPS-Kodes erforderlich. Aufgerufen dazu sind aber nach dem LSG Berlin-Brandenburg allein die Vertragsparteien der Fallpauschalen und Kodierbestimmungen.

Die Entscheidung ist mit Blick auf das einheitlich abweichende medizinische und strahlenbiologische Verständnis des Begriffs des Zielvolumens in der modernen Radioonkologie schwer verdaulich und schafft letztlich im Bereich der stationären Vergütung der modernen Strahlentherapie eine „abweichende Realität“, die mit der Praxis nichts zu tun hat. Dass dies anders geht, hat das BSG bei der Vergütung der sog. Multileaf-Kollimatoren in der ambulanten Versorgung dokumentiert (BSG, Urteil vom 10.12.2006 – B 6 KA 66/07 R –). Hier war das BSG durchaus dazu in der Lage mit zugegebenermaßen eindrucksvoller „Auslegungsakrobatik“ sachgerechte Auslegungsergebnisse zur Anpassung der Vergütungsregelungen an die enormen technischen Entwicklungen der Radioonkologie zu finden. Warum dies im Bereich des OPS-Kodes 8-52 nicht möglich ist, erschließt sich nicht und sollte durch die Vertragsparteien schnellst möglich geändert werden.

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